Seit 27 Jahren engagieren sich Augsburger:innen gemeinsam im Lokalen Agenda 21-Prozess für eine nachhaltige Entwicklung. Mit dabei sind Umwelt- und Eine-Welt-Gruppen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, kirchliche Gruppen, Vertreter der Wirtschaft, der Stadtverwaltung und anderer Organisationen. Die Frage die alle gemeinsam antreibt ist: Wie soll sich Augsburg entwickeln, damit es nachhaltig, d.h. zukunftsfähig wird? Von den vielen verschiedenen Arbeitsgruppen werden Veranstaltungen durchgeführt, Projekte umgesetzt, Materialien erarbeitet und über den Nachhaltigkeitsbeirat Empfehlungen an den Stadtrat, die Stadtverwaltung und die Stadtgesellschaft formuliert.
Augsburg hat ein gut ausgeformtes eigenes Zielsystem, das in dieser Form sehr selten zu finden ist: die Zukunftsleitlinien. Entstanden 1998 und kontinuierlich und gemeinsam von vielen weiterentwickelt, machen sie klar, was Augsburg unter nachhaltiger Entwicklung versteht und anstrebt. Die Zukunftsleitlinien sind Grundlage des Nachhaltigkeitsprozesses: für die Arbeit der Agendaforen und des Nachhaltigkeitsbeirats, für das Stadtentwicklungskonzept und für die einzelnen Fachkonzepte wie den derzeit entstehenden Augsburger Mobilitätsplan.
Die verschiedenen Agendaforen arbeiten zu unterschiedlichen Nachhaltigkeitszielen.
Sylvia Schaab und Thomas Hecht sind die zwei Sprecher:innen der Lokalen Agenda 21 Augsburg. Diese wurde schon mehrmals durch Projekt Nachhaltigkeit ausgezeichnet, sei es die gesamte Initiative im Jahr 2018, das Forum Plastikfrei 2019 oder der Lifeguide Augsburg 2020. Das Team von Projekt Nachhaltigkeit hat sie im Februar 2023 interviewt.
Was ist die Lokale Agenda 21 Augsburg?
Thomas Hecht: Die Lokale Agenda 21 Augsburg ist ein Prozess, der aus vielen Projekten besteht und eine einzigartige Schnittstelle zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft darstellt. Es ist ein kooperatives Unterfangen, das auf guten Willen auf allen Seiten basiert und sowohl Fortschritte als auch Rückschläge beinhaltet. Innerhalb der Gruppe der Lokalen Agenda 21 Augsburg legen wir großen Wert auf ein gutes und stärkendes Miteinander. Obwohl sich der Prozess im Laufe der 27 Jahre seit seiner Gründung erheblich verändert hat, ist das wichtigste Ergebnis die Anregung und der Mut für jeden Einzelnen, selbst aktiv zu werden und eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.
Sylvia Schaab, Journalistin und Weltverbesserin
Foto: Cynthia Matuszewski
Sylvia Schaab: Die Lokale Agenda 21 Augsburg ist eine Gruppe von Menschen aus verschiedenen Gruppierungen, die sich nicht darauf verlassen, dass andere etwas tun, sondern selbst aktiv werden, um den sozial-ökologischen Wandel anzustoßen. Dabei setzen Sie Projekte in ihrem ihrem Bereich um und bringen die nachhaltige Entwicklung in Augsburg voran. Der gemeinschaftliche Aspekt ist dabei von großer Bedeutung, da die Agenda-Foren über das Büro für Nachhaltigkeit eine direkte Verbindung zur Stadt haben und so Einfluss nehmen können. Der Austausch innerhalb der Agenda-Foren stärkt die Gruppe und fördert neue Wege und Ideen. So lebt die Lokale Agenda 21 Augsburg Zukunft auf allen Eben, sowohl in den Projekten als auch in der Organisation.
Ich höre da viel Vernetzungsarbeit raus, dass sie sagen: „Wir bringen Initiativen und Verwaltung zusammen!“ Kann man das so sagen?
Hecht: Ja, die Lokale Agenda 21 Augsburg arbeitet daran, Verwaltung und Initiativen zusammenzubringen, aber auch Initiativen untereinander zu vernetzen und dabei auch neue Formen der Zusammenarbeit wie die Soziokratie auszuprobieren und weiter zu entwickeln. Es geht um das Stärken der Gruppe und das Ausprobieren von Dingen, die in anderen Strukturen vielleicht nicht möglich wären. Es geht also nicht nur um Vernetzungsarbeit, sondern um ein umfassendes Stärken der nachhaltigen Entwicklung auf kommunaler Ebene.
Wer macht bei der lokalen Agenda 21 Augsburg mit?
Schaab: Die Sprecher der Lokalen Agenda 21 Augsburg sind ehrenamtlich tätig und arbeiten in ihrer Freizeit für die Agenda. Sie sind auch Teil von Agendaforen, von denen es aktuell 30 gibt. Ich bin über das Forum Plastikfrei dazugekommen, Tom ist vom Arbeitskreis Verkehr. Einige Foren, wie das Fachforum Energie oder Verkehr, sind seit der Gründung der Agenda 21 Augsburg aktiv, während andere Foren im Laufe der Zeit entstanden sind. Die Foren repräsentieren verschiedene Themenbereiche wie Bildung, Mobilität, kulturelle Beteiigung, Umweltbildung, fairer und nachhaltiger Konsum, Ressourcenschutz, Frauenrechte oder Gemeinwohlökonomie.
Hecht: Die Mitglieder der Foren haben unterschiedliche Hintergründe und sind in der Regel über viele Jahre in den Foren aktiv, was dafür spricht, dass die Art und Weise, wie wir das machen, befriedigend ist. Die Menschen in den Foren sind nicht so breit aufgestellt wie die Augsburger Stadtgesellschaft, dessen sind wir uns bewusst. Die Zusammenarbeit ist jedoch von einem guten Miteinander geprägt. Die Mitglieder brennen für ihre jeweiligen Themen und kommen regelmäßig zusammen, um auch in andere Themenbereiche hineinzuschauen.
Die Sprecher der Lokalen Agenda 21 Augsburg werden für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt. Die Wahl erfolgt mittlerweile in einem soziokratischen Prozess. Das bedeutet, dass nicht nur nach der Anzahl der Stimmen entschieden wird, sondern auch darauf geachtet wird, wer am wenigsten Ablehnung hat oder wer am meisten Zustimmung findet.
Die Mitglieder der Agendaforen sind nicht nur an ihren spezifischen Themen interessiert, sondern auch daran, andere Menschen in ihren Anliegen mitzunehmen und zu stärken. Das Miteinander steht im Vordergrund und es wird darauf geachtet, dass sich die Foren gegenseitig unterstützen.
Wie hängen Agenda Team, die Agenda Foren und Nachhaltigkeitsbeirat der Stadt zusammen?
Schaab: Die Lokale Agenda 21 Augsburg, das Büro für Nachhaltigkeit und der Nachhaltigkeitsbeirat der Stadt sind die drei zentralen Stellen, die miteinander verbunden sind. Das Büro für Nachhaltigkeit organisiert sowohl den Nachhaltigkeitsbeirat als auch die Lokale Agenda. Es lädt zu den jeweiligen Sitzungen in, führt Protokoll, beschafft die finanziellen Mittel und stellt den Kontakt zu Stellen in der Verwaltung her. Wir Sprecher:innen der Lokalen Agenda sind seit einigen Jahren auch im Nachhaltigkeitsbeirat vertreten und bringen dort die Themen der Agenda-Foren ein. Zum Beispiel haben wir "Zero Waste" als Ziel für Augsburg vorgeschlagen, und gemeinsam mit den anderen Beiratsmitgliedern wurde beschlossen, dies in den Stadtrat einzubringen.
Hecht: Die Sprecher der Lokalen Agenda sind die Vertreter der zivilgesellschaftlichen Gruppe, die sich selbst organisiert und seit einigen Jahren sogar stimmberechtigt und damit gleichgestellt mit den anderen Mitgliedern im Nachhaltigkeitsbeirat sind. Das ist schon eine gewisse Anerkennung unserer Arbeit.
Thomas Hecht, Physiker und Lehrer
Diese Anerkennung, die Sie gerade erwähnt haben, ist diese auch eine Folge daraus, dass die Lokale Agenda 21 Augsburg auch auf Bundesebene mit der Auszeichnung im Wettbewerb „Projekt Nachhaltigkeit“ gewürdigt wurde?
Hecht: Ich denke eine Stadtgesellschaft setzt da ihre eigenen Maßstäbe. Die Anerkennung als Transformationsprojekt im Wettbewerb "Projekt Nachhaltigkeit" war sicherlich eine Bestätigung unserer Arbeit und hat uns auch eine gewisse Sichtbarkeit auf Bundesebene gebracht. Allerdings denke ich, dass die Lokale Agenda 21 Augsburg und ihre Mitglieder sich auch ihre eigenen Maßstäbe setzen und sich nicht nur an externen Auszeichnungen orientieren. Wichtiger ist die konkrete Umsetzung der Projekte und der persönliche Kontakt zu Akteuren in der Stadt. Letztendlich zeichnet uns aus, dass wir langfristig und kontinuierlich an einer nachhaltigen Zukunft für Augsburg arbeiten.
Was motiviert Sie für Ihr Ehrenamt?
Hecht: Was mich motiviert, ist einfach das Gefühl, das Richtige zu tun und dafür auch eine Form zu finden, um etwas zu erreichen. Langfristig trägt es besonders, wenn man das auch mit Leuten zusammen tut, mit denen man sich wohl fühlt. Natürlich gibt es auch Momente, in denen die Anerkennung durch Preise oder Ähnliches zusätzlichen Antrieb gibt.
Schaab: Es hilft sehr, mit Gleichgesinnten zusammen zu sein. Wenn man sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, kann man manchmal verzweifeln und denken, dass das, was man tut, nichts bewirkt. Aber ich denke mir immer: Wenigstens habe ich etwas getan. Als ich zur Lokalen Agenda gekommen bin, war das für mich eine Offenbarung. Es ist einfach großartig, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die ähnlich denken und auch auf diesem Weg sind, weil es hilft. Man bekommt Energie zurück, um weiterzumachen und am Thema dran zu bleiben. Ich denke, es geht darum, ein Teil einer Bewegung zu sein und zu sehen, dass man mit anderen zusammen etwas bewirken kann. Das motiviert mich sehr.
Sie haben 2018 die Auszeichnung bekommen als Transformationsprojekt. Haben Sie überregionale Kontakte dadurch gewonnen, haben sich dadurch Dinge verändert?
Hecht: Wir sind außerhalb Augsburgs sehr viel bekannter geworden. Es kommen viele Anfragen. Die messbarste Veränderung ist die Anzahl der Anfragen von irgendwelchen Diplom- und Masterarbeit zu Interviews. Das hat man deutlich gemerkt. Selbst aus dem Ausland. Der Rest sind eher informellere Geschichten, die dann passiert sind.
Was sind die aktuellen Kernthemen?
Schaab: Die aktuellen Kernthemen der Lokalen Agenda 21 Augsburg sind vielfältig, aber einige Beispiele sind Zero Waste, der Weltwassertag als Thema vom Forum Eine Welt, die Energiewende, zukunftsweisende Mobilität mit Lastenrädern, Foodsharing und ein Dialograum zu Geld.
Hecht: Außerdem beschäftigen wir uns aktuell auch intensiv mit dem Thema Frieden, da Augsburg als Friedensstadt hier eine wichtige Rolle spielen kann.
Schaab: Das wirkt auch in viele Agendaforen mit rein, ob Geld oder Energiewende. Wichtig als übergreifendes Thema ist auch das Empowerment, dass man den Menschen noch mehr an die Hand gibt, was sie machen können, weil eben das Thema Nachhaltigkeit in den Köpfen angekommen ist und wir haben das Handwerkszeug, um den Leuten zu zeigen, wie sie es umsetzen können.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Hecht: Wir wissen seit Jahrzehnten, dass wir Dinge verbessern müssen. Mein Wunsch wäre, dass wir nicht nur darüber reden, dass wir Dinge verbessern müssen, sondern dass wir schnell konkrete Taten umsetzen, um das 1,5° Ziel zu erreichen. Das ist sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene wichtig. Es braucht ein schnelles, spürbares Handeln, um wirklich Fortschritte zu erzielen.
Und mein persönlicher Wunsch für die Lokale Agenda ist, dass sich die Qualität der Zusammenarbeit, die wir hier haben, auch auf andere Bereiche ausbreitet. Ich denke dabei an die Soziokratie als Kerngedanke, an eine wertschätzende und zielorientierte Kommunikation sowie an die lösungsorientierte Denkweise. Wenn sich diese Strukturen in anderen Bereichen durchsetzen, könnte das Vieles verändern und uns weiterbringen.
Schaab: Mein persönlicher Wunsch für die Lokale Agenda wäre, dass die Foren stärker in die Entscheidungsprozesse der Stadt Augsburg einbezogen werden. Es wäre schön, wenn unsere Ideen und Vorschläge mehr Gehör finden und wir gemeinsam Projekte umsetzen könnten. Eine bessere finanzielle Unterstützung seitens der Stadt wäre hierbei sicherlich hilfreich.
Global gesehen wünsche ich mir, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Klimaschutz in allen Köpfen präsenter wird und dass entsprechende Maßnahmen endlich umgesetzt werden. Wir brauchen eine Wende hin zu einem nachhaltigeren Lebensstil und dafür muss auch das nötige Geld bereitgestellt werden. Eine Umverteilung von Ressourcen und eine stärkere Wertschätzung für nachhaltiges Handeln sind wichtige Schritte auf diesem Weg.