Eine Frau steht vor einer Photovoltaik-Freiflächenanlage. Sie hält ein Smartphone in die Höhe.
Drei Personen vor grauem Hintergrund, Alma Spribille, Andreas Schmucker, Nico Tucher; Geschäftsführer:innen
Ein stilisiertes Bild von einem Mann und einer Frau, sie machen ein Selfie.

WEtell

Preisträgerprojekt 2019

„Uns geht es nicht darum, Nachhaltigkeit zu nutzen, um Mobilfunk zu verkaufen, sondern Mobilfunk als Instrument zur Förderung der Nachhaltigkeit einzusetzen.”
Alma Spribille, WEtell
Teamfoto des Teams von WEtell
!
WEtell hat schon über 1.000 Solarmodule in Deutschland installiert, welche mehr Strom erzeugen, als die Kund:innen für den Mobilfunk benötigen.

WEtell bietet seit 2020 nachhaltige Mobilfunktarife mit Fokus auf Klimaschutz, Datenschutz, Fairness und Transparenz. Das Unternehmen baut Solaranlagen in Deutschland, arbeitet mit klimaneutralen Dienstleistern zusammen und ist klimaneutral zertifiziert. WEtell setzt sich für das Gemeinwohl ein und wurde 2022 ins Verantwortungseigentum überführt.

HINTERGRUND

Die Macher:innen des Projekts „WEtell“ sind überzeugt: „Mobilfunk geht auch anders!" Deswegen bieten sie nachhaltige Tarife an, die umweltverträglich und fair gegenüber Kund:innen, Angestellten und Partnerunternehmen sind – mit Transparenz, Strom aus erneuerbaren Energien und Investitionen in Solaranlagen. Unvermeidbare Emissionen werden auf höchstem Niveau über Pflanzenkohle kompensiert. Dadurch beweist das Unternehmen, dass konsequentes Engagement auch in einer Branche funktioniert, die bisher kaum Interesse an Klimaschutz, Fairness und Datenschutz zeigt.

WEtell auf Social Media

Nachhaltigkeitsziele

Interview


Alma Spribille, WEtell

Alma Spribille ist eine der drei Geschäftsführer:innen und Gründer:innen von WEtell. Das Team von Projekt Nachhaltigkeit hat sie im Februar 2023 gut vier Jahre nach der Auszeichnung von WEtell als Transformationsprojekt interviewt. 

Mobilfunkanbieter gibt es wie Sand am Meer. Was macht WEtell anders?

Alma Spribille: Fast alles macht WEtell anders, bis auf dass wir klassischen Mobilfunk anbieten. In D-Netz Qualität. Wir legen großen Wert auf Klimaschutz, Datenschutz, Fairness und Transparenz. Daher speichern wir so wenig Daten wie möglich und löschen sie so schnell wie gesetzlich erlaubt. Im Gegensatz dazu speichern viele Unternehmen Daten so lange wie erlaubt, da sie diese für Marketing oder andere Zwecke nutzen können. Dies ist in den Datenschutzerklärungen oft zu finden, aber vielen Menschen ist dies nicht bewusst, da diese Dokumente schwer zu lesen sind.

Wir setzen uns systematisch dafür ein, dass mehr Datenschutz im Mobilfunkbereich umgesetzt wird, da das Mobiltelefon heutzutage immer bei uns ist und viele Daten schützenswert sind. Wir bieten Tarife ohne Mindestvertragslaufzeit an und es gibt keine Lockangebote, um Kund:innen zu höheren Tarifen zu drängen.

Unser Hauptanliegen ist eine nachhaltige Wirtschaftstransformation und der Mobilfunk ist das Fahrzeug, das wir gewählt haben, um dieses Ziel zu erreichen. Wir setzen uns für Verantwortungseigentum ein und haben das Unternehmen in diese Rechtsform überführt. Wir setzen uns auch für die neue Rechtsform ein, um nicht-exit-orientierte Startups in Deutschland zu fördern, da diese den nächsten Mittelstand bilden, der die Stärke Deutschlands ausmacht.

Wir engagieren uns auch im Klimaaktivismus und haben gemeinsam mit anderen Unternehmen an Aktionen gegen den Braunkohle-Tagebau teilgenommen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Energiewende vorangetrieben wird und der Klimawandel möglichst gestoppt werden kann. Im Gegensatz zu anderen Mobilfunkunternehmen sind wir Gemeinwohl-bilanziert und halten hohe soziale Standards ein. Die Gehaltsspreizung zwischen der Geschäftsführung und den am wenigsten Verdienenden beträgt bei uns nur 1,7 und ist damit sehr gering.

Wenn wir über Mobilfunk, über CO2 Ausstoß reden, wie groß ist denn das Problem, auf Deutschland gesehen?

In Deutschland ist die Telekommunikation für etwa 3% der deutschen Emissionen verantwortlich, was in etwa der Klimawirkung des innerdeutschen Flugverkehrs entspricht. Dies betrifft nicht nur Mobilfunk, sondern auch andere Formen der Telekommunikation. Der Anteil des Mobilfunks nimmt jedoch aufgrund des wachsenden Datenverkehrs, insbesondere von Internet-Daten über LTE oder das 5G-Netz, zu. Die Telefonie spielt heutzutage wahrscheinlich keine große Rolle mehr, da die meisten Menschen ihre Handys hauptsächlich für Internetdienstleistungen nutzen und Telefonate über Messenger-Apps wie Signal oder WhatsApp abwickeln.

Dafür benötigt man neben der Infrastruktur vor allem viel Strom, der größtenteils von den Netzbetreibern in Deutschland aus klassischen Stromquellen und nicht aus ökologischen Quellen stammt. Dies hat enorme Auswirkungen auf das Klima. Dabei ist noch nicht einmal die Internetnutzung selbst berücksichtigt, sondern nur die Übertragung der Daten. Zum Beispiel wird das Streaming von Netflix auf dem Handy nicht berücksichtigt, da dies in der Hand des Nutzers liegt. Ebenso die Entscheidung, wie man sein Handy lädt. Aber allein die Übertragung der Daten von deinem Handy bis zum Internetknotenpunkt verbraucht enorm viel Energie und stellt schon jetzt ein großes Problem dar. Zudem wächst das Datenvolumen und auch das Bewusstsein in Bezug auf digitale Dienstleistungen in Deutschland und deren Probleme muss noch wachsen. Im Vergleich zu Bio-Lebensmitteln sind digitale Dienstleistungen schwer zu fassen und die Probleme vielen Menschen nicht bewusst.

Wenn wir jetzt in die Anfänge von WEtell schauen, erst stand die Idee wie man wirtschaften will, und dann wo?

Als wir bei WEtell angefangen haben, haben wir uns zunächst Gedanken darüber gemacht, wie wir wirtschaften möchten, bevor wir uns entschieden haben, in welchem Bereich wir tätig sein möchten. Wir hatten alle zuvor gute Jobs und wollten ins Unternehmertum einsteigen, da wir glaubten, dass wir so schneller und effektiver etwas bewirken können.

Wir haben darüber gebrainstormt, was wir machen könnten und festgestellt, dass es zwar das Fairphone gab, aber keinen Anbieter, der so fair, transparent und klimaneutral ist wie das Fairphone. Da wir Ingenieurinnen und Physikerinnen sind und Erfahrung in der Nachhaltigkeitsszene haben, dachten wir, dass es technisch machbar sein sollte. Wir haben uns also entschieden, es einfach auszuprobieren, und es hat gut funktioniert.

Unsere Vision ist es, Mobilfunk zu nutzen, um Nachhaltigkeit in immer mehr Bereiche zu bringen. Dabei geht es uns nicht darum, Nachhaltigkeit zu nutzen, um Mobilfunk zu verkaufen, sondern Mobilfunk als Instrument zur Förderung der Nachhaltigkeit einzusetzen.

Ein großer Erfolg war die Gemeinwohl-Bilanzierung, stand das von Anfang an auf dem Tableau?

In der Anfangsphase von WEtell haben wir uns in einem Startup-Accelerator mit der Gemeinwohlökonomie beschäftigt und uns die Matrix angesehen. Wir fanden die Matrix super, da sie praktisch eine Checkliste darstellt, mit der man sein eigenes Unternehmen durchgehen und sicherstellen kann, dass man keinen Bereich vergessen hat. Wir haben uns entschieden, die Gemeinwohlbilanzierung zu machen, sobald wir auf dem Markt sind.

Im Berichtszeitraum 2020, als wir auf den Markt gekommen sind, haben wir die Gemeinwohlbilanzierung zum ersten Mal erstellt. Seit dem wir die Gemeinwohlökonomie kennen war für uns klar, dass wir das machen wollen. In diesem Jahr steht der zweite Bericht an.

Unter dem Hashtag #Unternehmenklimaschutz bezieht ihr, mit anderen nachhaltigen Unternehmen zusammen, Position gegen Kohleverstromung. Ihr wart in Lützerath. Inwiefern gehört gesellschaftliches Engagement und Aktivismus für euch zu unternehmerischen Handeln dazu? Das ist ja schon eher ungewöhnlich.

Das ist richtig, man kennt aber auch Unternehmen, die das machen, gerade die Ökostromanbieter, die Elektrizitätswerke Schönau sind ja auch als Stromrebellen bekannt geworden. Für uns ist das ein fester Bestandteil unserer DNA. Wir beschäftigen uns gerade viel mit dem Thema und führen derzeit eigene Interviews mit NGOs und Unternehmen zum Thema Klimaaktivismus in Unternehmen und wie sie das sehen.

Wir haben eine klare Haltung dazu, das gehört zu uns Pionierenden dazu. Ich würde nicht von jedem Unternehmen erwarten, dass es sich so engagiert, aber der Klimawandel ist nicht nur eines der größten Probleme unserer Zeit, sondern das Problem unserer Zeit. Obwohl ich andere Probleme wie Krieg nicht vernachlässigen möchte, wird der Klimawandel am Ende viele Aspekte unseres Lebens beeinflussen, auch in Bezug auf Krieg. Daher sollten alle Unternehmen aktiv werden, nicht unbedingt als Aktivisten, aber besonders für junge und progressive Unternehmen sollte es Teil ihrer DNA sein. Auch auf Fridays-for-Future-Demonstrationen nehmen viele Unternehmen teil, die man nicht unbedingt als Startups oder ähnliches bezeichnen würde und zeigen damit öffentlich ihr Engagement. Es ist eine Möglichkeit, gegenüber der Politik zu signalisieren: Hier sind Unternehmen aktiv, wir gehen voran und zeigen, dass es anders geht.

2019 wurde WEtell als Projekt Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Was ist seitdem passiert, was hat sich verändert?

Super viel. Wir sind sichtbarer und sind gewachsen. Im Jahr 2023 werden wir unseren Break-Even feiern und haben die 15.000 Tarife erreicht, die wir immer propagiert haben. Das bedeutet, dass wir ein wirtschaftlich tragfähiges Unternehmen sind - ein riesiger Schritt für ein Startup seit der Gründung. Wir sind sehr gut vernetzt in der Nachhaltigkeitsszene und starten gemeinsame Aktionen mit anderen Unternehmen wie der GLS Bank und Ecosia.

Wir sind auch in der politischen Aktivität noch stärker geworden und engagieren uns in verschiedenen Verbänden, wie dem Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, in dem ich auch im Vorstand sitze, und dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland, um unsere Erfahrungen weiterzugeben und uns für Nachhaltigkeit einzusetzen.

Ein Highlight war die Überführung ins Verantwortungseigentum im letzten Jahr, die wir mit einer großen Purpose-Hochzeit gefeiert haben, die wild, bunt, glitzernd und laut war. Wir haben gezeigt, dass so etwas möglich ist. Ein weiteres Highlight war meine Berufung in den Mittelstandsbeirat von Robert Habeck im letzten Jahr, wo ich direkt Politik-Konsultationen durchführe. Das 25-köpfige Gremium des Mittelstands in Deutschland wird zu aktuellen politischen Themen befragt und berät zweimal im Jahr den Minister selbst und den Staatssekretär Michael Kellner. Dies ist natürlich ein riesiger Schritt von 2019, als wir das Unternehmen gründeten, bis 2022, als dies geschah. Obwohl wir jetzt auch 23 Mitarbeiter haben und viele Kund:innen gewonnen haben, hätte ich mich damals nicht getraut, uns als Mittelstand zu bezeichnen. Wir sind nun ein richtiges Unternehmen geworden, vorher waren wir so ein richtig kleines Startup.

Wir haben inzwischen auch Finanzierungen aufgenommen und weil wir im Verantwortungseigentum sind, gibt es nicht die Möglichkeit, dass Investor:innen Stimmrechte für ihr Geld erhalten. Trotzdem können sie uns Darlehen geben. Wir haben auch viel Geld über Crowdfunding aufgebracht - im April 2021 haben wir eine Crowdfunding-Kampagne gestartet und innerhalb von 1:40 Stunden 700.000 Euro über die GLS Crowd gesammelt, das war ziemlich beeindruckend. Wir haben auch über eine Family & Friends-Runde und über Partner:innen finanzielle Unterstützung erhalten, aber komplett ohne äußere Einflussnahme, und das war uns sehr wichtig. Wir haben sogar ein Whitepaper darüber geschrieben, das wir veröffentlicht haben, damit andere davon lernen und uns als Beispiel nutzen können. Wir hätten uns gewünscht, dass uns jemand gezeigt hätte, wie das geht, aber wir mussten es selbst herausfinden. Ecosia hat uns dabei sehr geholfen, und wir finden es super hilfreich, wenn andere Unternehmen ähnliche Dinge tun. Deswegen: gerne abgucken. Wenn jemand anders sowas schon gemacht hat, erfinde es doch nicht neu, sondern schaut euch an wie es andere Unternehmen gemacht haben und findet heraus, was für euch am besten passt.

Klimaschutz und Wachstum der Kundschaft mal ausgelassen: welche Ziele hast du (für WEtell) für die Zukunft?

Ein ganz konkretes Ziel ist die Crowdfunding Aktion im März, dass die erfolgreich ist, das ist ein ganz konkretes Ziel. (Anmerkung: das Crowdfunding war erfolgreich.)

Ein noch wichtigeres Ziel ist allerdings, dass wir nachhaltig wachsen. Wir wollen nicht um jeden Preis erfolgreich sein, sondern wir wollen sicherstellen, dass es unseren Mitarbeitenden und Gründer:innen gut geht. Wir wollen keine Ausbeutung im Unternehmen oder in der Struktur haben. Wir wollen eine gesunde Kund:innen- und Partner:innen-Beziehung aufbauen, was nur möglich ist, wenn es unseren Mitarbeitenden gut geht. Das ist vielleicht das wichtigste Ziel für mich persönlich - dass unser Streben nach Klimaschutz und Wachstum mit einem gesunden Unternehmen einhergeht, in dem sich die Mitarbeitenden wohlfühlen und gerne arbeiten.